Forschungswerkstatt

PARTIZIPATIVE FORSCHUNG – FORSCHUNGSWERKSTATT

 

Von 13. bis 15. September 2023 findet die zweite Forschungswerkstatt - Partizipative Forschung
am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien statt.

Programm und Call (pdf)

Partizipative Aktionsforschung möchte nicht über oder für die Menschen forschen, sondern
gemeinsam mit ihnen (Bergold & Thomas 2012). Je nach Möglichkeit und Sinnhaftigkeit sollen
Mit-Forschende in den gesamten Forschungsprozess eingebunden werden – von der
Entwicklung der Forschungsfrage bis hin zur Veröffentlichung der Ergebnisse sowie in die
Diskussion über mögliche Lösungen für gesellschaftliche Schieflagen. Das heißt, partizipative
Aktionsforschung versteht sich als eine methodologische Haltung, denn sie verfolgt
kollaborative Formen der Wissensproduktion und erhebt den Anspruch epistemische
Deutungsmacht zu demontieren. Sie versteht sich als wertebasierte und parteiliche Forschung,
die anstrebt Räume des Alltags aufzubrechen, um einen gemeinsamen Reflexionsprozess zu
ermöglichen (Bergold & Thomas 2012), der zum Erschließen neuer Handlungsmöglichkeiten
führen kann (von Unger 2018).

Auch partizipativ Forschende agieren unweigerlich in Verhältnissen von Ungleichheit und
innerhalb historisch macht- und gewaltvoller Felder und Institutionen. Die Gestaltung und Nähe
der Forschungsbeziehung zieht daher spezifische ethische Fragen mit sich, die ein hohes Maß
an Reflexivität der eigenen sozialen Positionierung und eine kontinuierliche Verständigung
über Grenzen und Möglichkeiten der gemeinsamen Forschung sowie über Macht und
Privilegien erfordern (von Unger & Narimani 2018; Fine & Torre 2020). Gerade durch die
starke Involvierung der Wissenschaftler_innen im Feld ergibt sich die spezifische
Herausforderung, nicht (dermaßen) an der (Re-)Produktion bestehender Differenzverhältnisse
mitzuwirken, sondern zu versuchen diese stetig zu reflektieren und auch in schwierigen
Situationen regulierend einzugreifen und Haltung zu beziehen (Wöhrer et al. 2017).

Partizipative Forschung bedarf demnach einer radikalen Offenheit und des parteilichen
Einlassens auf eine Unplanbarkeit des Forschungsprozesses und ebenso einer politischaktionistischen Haltung, was oftmals mit Ansprüchen, die im Rahmen von Qualifikationsarbeiten oder geförderten Forschungsvorhaben gestellt werden, konfligieren
kann. Wobei auch die Orte der Forschungen selbst, mit ihren eigenen Ordnungslogiken und
Strukturiertheiten, Hürden mit sich bringen. Partizipative Forschung bleibt somit ein fragiles Unterfangen, dem das Risiko des Scheiterns inhärent ist. Gelingt es jedoch ein offenes Miteinander zu gestalten kann ein Raum geschaffen werden, in dem ein kritisches Hinterfragen der aktuellen Verhältnisse sowie ein Nachdenken über das, was sein könnte und sollte, möglich wird (Fine & Torre 2020).

Im Rahmen der Forschungswerkstatt möchten wir darüber diskutieren, welche ethischen,
politischen und forschungspraktischen Herausforderungen partizipative Ansätze mit sich
bringen. Ausgehend davon, werden wir im Rahmen der diesjährigen Werkstatt auch eine
Diskussion über unsere ungleichen, intersektionalen Positionierungen innerhalb jenes
Spannungsverhältnisses zwischen politischem Anspruch und institutionalisierter
Wissensproduktion anstoßen und unser jeweils spezifisches „Subjekt-Sein“ und unsere
Standortgebundenheit des „Sprechens über“ in diesem Prozess gemeinsam reflektieren. Damit
zusammenhängend interessiert uns, was mit „Aktion“ in der partizipativen Aktionsforschung
gemeint ist bzw. gemeint sein kann und auf was diese abzielt. Partizipative Forschung rückt
nicht nur Teilhabe und Mitgestaltung von Wissensproduktion in den Fokus, sondern will mit
Blick auf Ungleichheit gesellschaftliche Veränderung anstoßen und damit Möglichkeiten zur
Demokratisierung von Forschung und der Weiterentwicklung demokratischer Formen von
Wissensproduktion (Wöhrer et al. 2017; Brenssell & Lutz-Kluge 2020) in Gang setzen.

Die Forschungswerkstatt 2023 möchte wieder einen Raum öffnen und zum Dialog einladen,
um sich über partizipative Forschungsvorhaben und die damit verbundenen Fragen und
inhärenten Widersprüche dieses Zugangs zu Forschung und Wissensproduktion
auszutauschen.

Wir freuen uns über Beiträge, die einzelne oder mehrere der folgenden Aspekte aufgreifen und
diskutieren. Folgende Fragen sollen zur Einreichung von Beiträgen anregen:

  • Welche spezifischen forschungsethischen Fragen stellen sich in partizipativen Projekten? Wie wird mit Fragen von ownership von Wissen/Erkenntnis, der informierten Einwilligung, Autor_innenschaft und Verantwortlichkeit umgegangen?
  • Welche konkreten Methoden der (gemeinsamen) Reflexion von Subjektivierungsprozessen, „Subjekt-Sein“ und intersektionaler Positionierungen sind möglich und entsprechen den eigenen ethischen Anforderungen?
  • Welche forschungspraktischen Herausforderungen, Fragen und Handlungsmöglichkeiten entstehen daraus?
  • Was meinen wir mit „Aktion“ in der Aktionsforschung? Mit was beginnt diese "Aktion" und wo ist sie begrenzt oder endet sie? Was ist der Anspruch, der „dahinter liegt“? In welchem Verhältnis steht die „Aktion“ zur Universität als Institution und konventionellen Formen der Erkenntnisproduktion?
  • Wie kann mit dem Spannungsverhältnis von Forschungsanforderungen (z.B. im Rahmen einer Qualifikationsarbeit) und den Prämissen der partizipativen Forschung umgegangen werden?
  • Wie kann ein kollaborativer Prozess der Forschung, aber auch des gemeinsamen Schreibens aussehen?
  • Wie kann mit dem „Scheitern“ an eigenen Ansprüchen und der Scham hierüber umgegangenen werden und dies auch als Erkenntnisprozess in die Forschung miteinbezogen werden? Wie können diese „Fehler“, Brüche und diversen Aushandlungsprozesse auch im Schreibprozess sichtbar gemacht werden und dem Versuch, "eine kohärente und geschlossene Geschichte" zu erzählen, widerstanden werden?

Ablauf

Die Forschungswerkstatt wird in Form einer zweitägigen Veranstaltung umgesetzt, wobei es
optional am Freitagvormittag noch die Möglichkeit der Vernetzung geben wird. Die
Forschungswerkstatt richtet sich an Nachwuchswissenschaftler_innen, die sich im Rahmen
ihrer Qualifikationsarbeit oder eines Forschungsprojektes mit partizipativen
Forschungsansätzen beschäftigen. Am ersten Tag wird es einen Eröffnungsinput von Ariane
Brenssell zu ethischen, politischen und forschungspraktischen Herausforderungen
partizipativer Ansätze geben mit Fokus auf die Dimension der „Aktion“. Anschließend beginnen wir mit dem Werkstattteil der Veranstaltung, der die Teilnehmer_innen einlädt, ihre Forschungsvorhaben vorzustellen, um diese dann gemeinsam zu reflektieren. Teilnehmende mit eingereichten Beiträgen haben circa 20 Minuten Zeit, um die eigene Arbeit zu präsentieren und anschließend sind jeweils 35 Minuten zur gemeinsamen Diskussion geplant. Am zweiten Tag werden wir im Werkstattmodus weitermachen. Am Nachmittag findet ein Input von Phil Langer mit Diskussion zur Positionierungs- und Selbstreflexion in der partizipativen Forschung
statt. Den Abschluss der Forschungswerkstatt bildet am Freitag der optionale Besuch des
Vernetzungsraums. Beginnen wird der Tag mit einer moderierten Diskussion zum
Spannungsverhältnis von Qualifikations-/Forschungsarbeiten und partizipativer Forschung, bei
der Sie eingeladen sind, Ihre Erfahrungen und Problematiken einzubringen.

Anschließend möchten wir den Raum für Vernetzung öffnen. Die Idee ist hierbei sich besser
kennenzulernen und mögliche kleinere Forschungswerkstätten für Ihre Promotions-/
Forschungsvorhaben zu gründen, um sich gegenseitig im Forschungsprozess zu begleiten. Die
Veranstaltung verortet sich transdisziplinär und lädt deshalb explizit Personen verschiedener
Disziplinen ein.

Teilnahme und Anmeldung

Anmeldung geöffnet bis: 20.05.2023

Teilnehmer_innenbeiträge in Präsenz:
Gestaffelte Teilnahmegebühr orientiert an den ökonomischen Möglichkeiten der
Teilnehmer_innen: € 20,-, € 40,- oder € 60,-
(bitte bei der Anmeldung Selbsteinschätzung angeben, ansonsten wird mit der mittleren
Variante gerechnet)

Anmeldung bitte per E-Mail an sara.paloni@sfu.ac.at (Betreff: PAR_FW) mit folgenden
Angaben:

  • Name, Vorname, E-Mail
  • Titel des Vorhabens bzw. Projekts (+ evtl. Betreuungsperson(en))
  • Universität/Hochschule/Forschungseinrichtung
  • Teilnahme an allen Tagen oder nur am Mittwoch und Donnerstag?
  • Möchten Sie präsentieren, um Aspekte oder Material aus Ihrem Projekt einzubringen?
    Ja/Nein

Abstracts für 20-minütige Vorträge (mit anschließender 35-minütiger Diskussion) im Umfang
von circa einer Seite bitten wir bis zum 20.05.2023 per E-Mail zu senden. Es ist auch eine
Anmeldung/Teilnahme ohne Präsentation möglich. Alle Einreichungen werden vom
Organisationsteam gesichtet und wir informieren Sie dann bis zum 21.06.2023, ob Ihr
Forschungsvorhaben besprochen werden kann und ob eine Teilnahme möglich ist.
Die Anzahl der Teilnehmenden ist auf 35 beschränkt, gegebenenfalls wird eine Warteliste
eingerichtet.

Die Veranstaltung wird organisiert vom Arbeitsbereich Bildung und Ungleichheit am Institut
für Bildungswissenschaft der Universität Wien, in Kooperation mit der Fakultät für
Psychologie der Sigmund Freud Privatuniversität Wien und dem Zentrum für
Lehrer*innenbildung der Universität Wien.

Literatur

Bergold, J., & Thomas, S. (2012). Partizipative Forschungsmethoden: Ein methodischer Ansatz in
Bewegung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13(1), Art. 30,
doi.org/10.17169/fqs-13.1.1801

Brenssell, A. & Lutz-Kluge, A. (2020). Partizipative Forschung und Gender. Emanzipatorische
Forschungsansätze weiterdenken. 1. Auflage. Barbara Budrich Verlag Opladen.

Fine, M., & Torre, M., E. (2020). Critical Participatory Action Research: Ein feministisches
Commitment. In A. Brenssell & A. Lutz-Kluge (Hrsg.), Partizipative Forschung und Gender:
Emanzipatorische Forschungsansätze weiterdenken (S. 119 -134). Berlin: Barbara Budrich.

Von Unger, H., & Narimani, P. (2012). Ethische Reflexivität im Forschungsprozess:
Herausforderungen in der Partizipativen Forschung. Discussion Paper SPI 2012 – 304.
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin.

Von Unger, H. (2018). Partizipative Forschung. In L. Akremi, N. Baur, H. Knoblauch & Boris Traue
(Hrsg.), Handbuch Interpretativ forschen (S.161-182). Weinheim: Beltz.

Wöhrer, V., Arztmann, D., Wintersteller, T., & Harrasser, D. (2017). Partizipative Aktionsforschung
mit Kindern und Jugendlichen. Von Schulsprachen, Liebesorten und anderen Forschungsdingen.
Wiesbaden: Springer VS.