Data Literacy als Aufgabe in Schule und Lehrer:innenbildung: Auslotungen für eine zeitgemäße Medienbildung
Eine Diskussionsveranstaltung in Kooperation des Lehrstuhls Medienpädagogik am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien mit dem Zentrum für Lerntechnologie und Innovation (ZLI) der Pädagogischen Hochschule Wien
am 05.07.2022 von 16:00-19:30 Uhr
und 06.07.2022 von 09:00-16:30 Uhr
Daten und datenverarbeitende Medien gewinnen im Alltag zusehends an Bedeutung. Algorithmen schlagen auf Basis bereits getätigter Einkäufe weitere Produkte vor, in Social Media werden nach dem Ansehen eines Videos über spielende Katzen weitere ähnliche Videos angezeigt, und via Sprachsteuerung kann einfach und schnell eine Playlist am mobilen Lautsprecher abgespielt werden. Viele solcher Alltagshandlungen basieren auf Daten und Datenverarbeitungsprozessen, die es zu durchschauen gilt, um selbstbestimmt damit umgehen zu können. Das erfordert Media Literacy, die in den Mittelpunkt rückt, wenn digitale Medien in der „Digitalen Grundbildung“ als Schulfach (in Österreich ab Herbst 2022 geplant) zum Unterrichtsgegenstand werden.
Auch die Verwendung von digitalen Medien als Arbeitsmittel im Unterricht wirft Fragen auf: Wie werden Lehrende, aber auch Lernende mit wachsenden Herausforderungen hinsichtlich Datenschutz und Datenverarbeitung im Zuge des Lernens umgehen? Wie ist die maschinelle Steuerung von Lernprozessen pädagogisch zu steuern? In welchen Unterrichtsmethoden sind digitale Medien sinnvoll?
Media Literacy steht für den Erwerb eines kompetenten Umgangs mit unterschiedlichen Medienformen. Ein besonderer Fall sind digitale Medien und in weiterer Folge digital verarbeitete Daten. Data Literacy umfasst einerseits Daten lesen, verarbeiten, kommunizieren und abbilden zu können und datenverarbeitende Medien und ihre Mechanismen zu durchschauen. Eine Besonderheit besteht darin, dass Daten zu interpretieren, um auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen, eine Interaktion zwischen Handelnden und datenverarbeitenden Medien voraussetzt, die allerdings nicht immer bewusst oder sichtbar vonstattengeht. Aus diesem Grund bedarf es der Vermittlung eines informatischen Verständnisses genauso wie der Vermittlung der Fähigkeit zur Analyse der sozialen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die von Datenverarbeitung geprägt sind.
Wie wird das Verhältnis zwischen Mensch und Daten verhandelt und welche Kompetenzen werden angesichts dieser Entwicklungen für Lehrende und Lernende in Zukunft bedeutsam sein?
Das Symposium bringt Expert:innen aus Informatik und Medienpädagogik zusammen und steht im Zeichen des Dialogs zu Data Literacy und einer umfassenden Datenbildung.
Programm
5.7.2022, 16:00-19:30 Symposium Digital Literacy
Ort: Aula im Campus der Universität Wien, Alser Straße, 1090 Wien
Impulsvorträge
Margit Pohl (TU Wien): Visualization Literacy – Über das Entzifferern visueller Botschaften
Die Vermittlung von Informationen über COVID-19 hat uns gezeigt, dass Visualisierungen für Massenmedien immer wichtiger werden. Die Fähigkeit, aus Visualisierungen sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen zu können, wird in der Schule aber nicht gelehrt, daher müssen Visualisierungen intuitiv und selbsterklärend sein. Einerseits kann das Design von Visualisierungen zu falschen Schlussfolgerungen verleiten, andererseits gibt es „cognitive biases", die zu irrigen Erkenntnissen führen. Diese Fragestellungen werden in der Visualisierungs-Community kontrovers diskutiert.
Zur Person: Margit Pohl und ihre Forschungsgruppe beschäftigen sich im Moment einerseits mit einem Projekt zum Thema Onboarding für Visualisierungen (gemeinsam mit der FH St. Pölten). Onboarding meint hier den Prozess, wie man Benutzer:innen von komplexeren Visualisierungen dabei zeitnah unterstützen kann, wie sie zu sinnvollen Erkenntnissen gelangen können. Einfachere Visualisierungen sollten intuitiv sein, aber bei komplexeren Visualisierungen ist es oft nicht möglich, dass die Darstellung selbsterklärend ist und durch Ausprobieren verstanden werden kann. Onboarding soll dabei helfen, dass die Benutzer:innen sich trotzdem auskennen. Außerdem beschäftigen sie sich in einem anderen Projekt (gemeinsam mit Kolleg:innen der Universität Köln) mit der Frage, wie man Unterschiede in Graphen gut erkennen kann. Diese Frage ist z.B. für die Darstellung von genetischen Daten als Graphen relevant.
Valentin Dander (FHCHP Potsdam): Data Literacies Kartieren – zur politisierenden Vervielfältigung ‚eines' Konzepts
Konzeptionen von „Data Literacy" zielen etwa auf Wissen über digitale Überwachung, den rezeptiven/produktiven, analytischen/kreativen, individuellen/ kollektiven Umgang mit digitalen Daten. Entsprechend zielen die Konzeptionen auf unterschiedliche Subjektivitäten: bspw. die digitale Selbstverteidigerin, den Datenkünstler, die Datenanalystin, den Datenjournalisten, datenkompetente Individuen oder Organisationen. Der Vortrag zielt auf eine Kartierung des Feldes und plädiert für eine offen zu denkende digital citizenship als Zielperspektive.
Zur Person: Valentin Dander ist Studiengangsleiter des dualen BA Studiengangs Medienbildung und päd. Medienarbeit an der Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam. Er ist beteiligt an der Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus (seit 2021) und organisiert die gleichnamige Tagung im Juni 2022. In diesem Kontext wirkte er am kritischen Positionspapier zur Weiterentwicklung der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt" mit (Braun et al. 2021). Besonders interessieren ihn Wechselwirkungen zwischen Politischer Bildung und Medienbildung, derzeit ist er stärker mit den Themen Rassismus/-kritik befasst im Kontext eines Begleitforschungsprojekts (Beforschung der Konzeption einer Bildungsplattform durch mediale-pfade.org zum Archiv der Flucht des Hauses der Kulturen der Welt; gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung) (ggf. ergänzen: Seit März 2022 im Vorstand der DGfE-Sektion Medienpädagogik)
Mandy Schiefner-Rohs (Technische Universität Kaiserslautern): Von Medienkompetenz zu Data Literacy: neue Perspektiven für die Lehrer*innenbildung?
In letzter Zeit ist (nicht nur) in vielen bildungspolitischen Dokumenten von Data Literacy zu lesen, die deutsche Bundesregierung hat sich sogar mit eine Roadmap Datenkompetenz und Datenkultur auf den Weg vom Neuland ins „Datenland" gemacht. Klar ist, dass da auch die Lehrer*innenbildung nicht fehlen darf. Zwar gewinnen Daten und Datenauswertungen in unserem digitalen Alltag zunehmend an Gewicht und prägen diesen, zugleich stellt sich aber die Frage, ob data literacy hierauf wirklich eine passende Antwort ist. Der Vortrag setzt sich kritisch mit dem Anspruch einer Data Literacy in der Lehrer*innenbildung auseinander und gibt ausgehend von den Projekten „Data2Teach" und „All is data" Einblicke in die Frage nach der Adressierung von Data Literacy in der Lehrer*innenbildung.
Zur Person: Mandy Schiefner-Rohs ist Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik an der TU Kaiserslautern. Sie leitet mehrere Forschungsprojekte, darunter die im Vortrag vorgestellten „Data2Teach" und „All is data" und forscht zu Fragestellungen an der Schnittstelle von Medien- und (Hoch-)Schulpädagogik innerhalb der Schul- und Unterrichts-, Lehrerbildungs- und Hochschulforschung. Ein Fokus ihrer Forschung liegt auf der Transformation von Schule und Hochschule sowie pädagogischer Professionalität in einer Kultur der Digitalität. Als Expertin ist sie immer wieder Teil von Kommissionen und Fachgesprächen zu Digitalisierung und/oder Lehrer*innenbildung (u.a. KMK, BMBF, aber auch Hochschulforum Digitalisierung mit Schwerpunkt Lehrer*innenbildung). Seit 2020 ist sie außerdem Mitglied des Vorstands der Sektion Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE).
Podiumsdiskussion
Caroline Grabensteiner (Pädagogische Hochschule Wien) (Moderation)
Margit Pohl (Technische Universität Wien)
Valentin Dander (Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam)
Mandy Schiefner-Rohs (Technische Universität Kaiserslautern)
Ina Sander (Cardiff University/Helmut-Schmidt-Universität Hamburg)
Juliane Ahlborn (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)
6.7.2022, 09:00-16:30 Thementag Digitalisierung
Workshops zum Thema "Data Literacy" im Rahmen der Fortbildungstage der PH Wien
Ort: Pädagogische Hochschule Wien, Grenzackerstraße 18, 1100 Wien
Literaturtipp
Alessandro Barberi, Caroline Grabensteiner & Klaus Himpsl-Gutermann (Hrsg.). (2021). Data Literacy – Datenkompetenz – Datenbildung. Themenheft der Zeitschrift Medienimpulse.
Anmeldung
Die Teilnahme ist kostenlos. Bitte melden Sie sich mit dem folgenden Formular an - vielen Dank!