LGBTQ-Aktivismus und psychische Gesundheit im postjugoslawischen Raum

Bojan Bilić

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden im postjugoslawischen Raum viele rechtliche Fortschritte erzielt, damit sich der Status von Lesben, Schwulen, bisexuellen, transgender und queer (LGBTQ) Menschen bessert. Vor allem im Rahmen des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union (EU), haben Regierungen in der Region Antidiskriminierungsgesetze verabschiedet, und auch verschiedene Formen der eingetragenen Partnerschaft zugelassen. Dennoch führen solche rechtlichen Verbesserungen nicht direkt zu einem lebenswerteren LGBTQ-Leben. Die Häufigkeit homophober und transphober Gewalt ist trotz intensiver gesetzgeberischer Aktivitäten in diesem Bereich hoch geblieben. Infolge der immer noch weit verbreiteten diskriminierenden Haltung haben LGBTQ-Personen möglicherweise höhere Wahrscheinlichkeit, sich von ihren Familien zu entfremden, und werden von Gleichaltrigen und dem breiteren sozialen Umfeld leichter abgelehnt. Ein hohes Maß an Diskriminierung, verbunden mit materieller Not, kann zu Depressionen sowie zu Risikoverhaltensweisen (z.B. Substanzkonsum) führen, insbesondere bei nicht heterosexuellen und transgender Jugendlichen mit unzureichender elterlicher Unterstützung.

Während der psychischen Gesundheit von LGBTQ-Menschen in Westeuropa und den Vereinigten Staaten viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt wurde, gibt es noch keine qualitative Studie, die die Entwicklung von LGBTQ-positiven Diensten für psychische Gesundheit im postjugoslawischen Raum, oder im postsozialistischen Osteuropa im Allgemeinen, untersucht. Psychiatrische und psychologische Bildungsprogramme in der Region decken kaum nicht heterosexuelle und transsexuelle Themen ab, oder tun dies auf veraltete und pathologisierende Weise. Einige psychiatrische Fachkräfte mit einem hohen Maß an öffentlicher Sichtbarkeit können sogar offen homo/transphobische Einstellungen zeigen, die schädliche Langzeiteffekte auf LGBTQ-Personen haben, indem sie ihr Vertrauen in die Qualität der offiziellen psychotherapeutischen Dienste untergraben und ihre Bereitschaft verringern, Hilfe zu suchen.

Dieses transnationale und vergleichende Forschungsprojekt bringt drei benachbarte postjugoslawische Länder zusammen: Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien. Es nutzt ihre einzigartige strukturelle Position gegenüber der EU, die im innenpolitischen Leben eine herausragende – wenn auch umstrittene – Rolle spielt. Das Projekt konzentriert sich auf die Verflechtungen zwischen LGBTQ Personen, Aktivisten und Fachleuten für psychische Gesundheit: zum einen wird untersucht, inwieweit Fachkräfte der psychischen Gesundheit emanzipatorische Gesetzesänderungen in ihre Praxis aufgenommen haben; zum anderen werden alternative Unterstützungsformen, die als Reaktion auf die Homo/Transphobie in offiziellen Einrichtungen für psychische Gesundheit von LGBTQ-Aktivisten entwickelt wurden, erforscht. Das Projekt trägt dazu bei, das Ungleichgewicht zwischen west- und osteuropäischer LGBTQ Forschung zu beseitigen, und ermöglicht Aktivisten, Praktikern und politischen Entscheidungsträgern, Dienstleistungen, die den psychischen Gesundheitsbedürfnissen von LGBTQ-Personen besser entsprechen, sicherzustellen.


Projektbezogene Veröffentlichungen:

Paper: TGNB persons, mental health, and gender binarism in Serbia: Journal of Gay & Lesbian Mental Health: Vol 25, No 2 (tandfonline.com)

Sammelband: Policy Press | Transgender in the Post-Yugoslav Space - Lives, Activisms, Culture, Edited by Bojan Bilić, Iwo Nord and Aleksa Milanović (bristoluniversitypress.co.uk)
    
Regionale Ausgabe: POSTJUGOSLO/AVENSKI TRANS ŽIVOTI AKTIVIZMI KULTURE | superknjizara.hr

Kapitel:  Introduction: In post-Yugoslav trans worlds in: Transgender in the Post-Yugoslav Space (bristoluniversitypressdigital.com)

Transgender and non-binary persons, mental health, and gender binarism in Serbia in: Transgender in the Post-Yugoslav Space (bristoluniversitypressdigital.com)

(Post)socialist gender troubles: transphobia in Serbian leftist activism in: Transgender in the Post-Yugoslav Space (bristoluniversitypressdigital.com)

Podcast: Other Talking Points - K2.0 Podcast - Kosovo 2.0 (kosovotwopointzero.com)

Blog: The Gift of Gender - Kosovo 2.0 (kosovotwopointzero.com)
Bojan Bilić: Das Geschenk des Geschlechts (univie.ac.at)